HMK - Intuitive Gedankenbilder

 

andere über heidemarie kull

Glückliche Schnappschüsse
Artikel von Catherine Y. Hsieh, ARTFAIRS INTERNATIONAL NEWSPAPER September-Ausgabe 2009, New York

„Mit einer unverwechselbaren Perspektive die Welt befragend, bleibt Kull mit Leichtigkeit im künstlerischen Gleichgewicht, ob sie nun einen Pinsel in der Hand hält oder hinter der Kamera steht.“ Heidemarie Kull liebt es zu reisen. Es waren ihre Trips nach Afrika, Jamaika, Haiti, China, Tibet , den Himalaya und Nepal, die ihre Werke am meisten inspiriert haben. „Mein Interesse an verschiedenen Kulturen wurde von teilweise abenteuerlichen Reisen durch die Kontinente unserer Welt verstärkt,“ sagt Kull. Ob sie malt, zeichnet oder photographiert, schafft sie es, ihren Gedankengang auf Leinwand, ein Blatt Papier, oder durch das Objektiv einer Kamera zu übertragen.

Ihre Ölgemälde besitzen picassoische Merkmale: dynamische Farbformen und deformierte Gesichter und Figuren von Menschen. In Sphinx mit rotem Faden wird eine Sphinx in Regenbogenfarben auf einem Safran Hintergrund dargestellt, der als Teil ihres Gesichts ein beleuchtetes Gebäude zu sein scheint, daneben in einem weißen Block ein Auge, welches neben der Sphinx schwebt. Ein bizarres Bild. Das Gemälde stößt den Betrachter in eine eigenartige Fantasiewelt, wo ein verwirrendes mythologisches Kompositum benutzt wird, welches an die antike und matriarchale Struktur der Menschheit erinnert. „Ein Wesen zwischen Himmel und Erde mit all seinen faszinierenden Facetten, das an Gottheiten vergangener Welten erinnert,“ sagt Kull. So glühend und leidenschaftlich die Sphinx mit rotem Faden sein mag, Kulls Serie „ Berliner Gesichter“ behandelt ein düsteres Thema mit trüber Farbskala. Durch einen kurzen Aufenthalt in Berlin inspiriert, malte Kull diese verzweifelte Gestalten, jede scheinbar auf der Suche nach Erlösung, sogar wenn sie nur zeitlich begrenzt sein sollte. „Ich habe nicht die Absicht, die physische Ähnlichkeit wiederzugeben,“ sagt Kull „ , eher möchte ich den momentanen psychologischen Zustand oder das Wesen der dargestellten Personen sichtbar machen.“

Während ihre früheren Werke hauptsächlich Ölgemälde sind, unterscheiden sich diese neuen Bilder drastisch. Atmosphärische digitale Photographien von Natur- und Stadtlandschaften in Europa und Amerika. Der Kontrast zwischen ihren robusten und pulsierenden Werken / Öl-auf-Leinwand und ihren minimalistischen und ruhigen Photographien zeigt die vielen Aspekte ihrer Kunst. Was wie ein Video-Standbild scheint, fängt Kull mit ihrer Kamera den Künstler Damian Ortega in Bewegungein. Ein Gefühl von Unruhe erfüllt das graue Bild, ein wenig romantisch, ein wenig unheimlich. „auf meiner Photographie ist Ortega's Kopf zersplittert und gleichzeitig in Bewegung,“ sagt Kull. Ebenso wie in seinem Video-Werk die aufgereihten immer wiederkehrenden fallenden Berliner Steine (Mauern) aus dem zweiten Weltkrieg , welche in seinem Video-Werk in seiner Ausstellung im „Hamburger Bahnhof „ Museum in Berlin (2007 ) so zu sehen waren.

In einem anderen Werk „Spuren“ eine spontane Liebeserklärung an die Welt (die Worte im Sand bedeuten „ich liebe dich“). „Ich fand sie an einem mir unbekannten Strand". Ein Moment der emotionalen Eruption ist in diesem Bild eingefangen. Die Liebe der Künstlerin zur Natur wird auf einer Photographie von weißen Blumen im „Lac de Moiry“ in der Schweiz deutlich. Diese Blumen sind sehr selten und blühen nur kurz im Sommer in dem Gletschersee. Dieses Bild weist nicht nur auf die Vergänglichkeit des Lebens hin, sondern auch auf die ultimative Macht der Schöpfung. Es stellt sich die immer wiederkehrende Frage: Wie können wir die ökologische Krise unserer Zeit bewältigen und die Erde schützen?

In der Photographie „Reflection“ transformiert Kull eine zufallsbedingt Szene . Der Vogel mit dem zufälligen Spiegelbild auf der metallischen Fläche erinnert an einen Totempfahl, der die Vergänglichkeit und die sich ständig ändernden Wege der Realität symbolisiert. Ein inspirirendes modernes skulpturales Gemälde.
Kulls poetische Interpretation bei dem Bild „Wolken über Genf“: „ein Dialog zwischen den Göttern über die Ereignisse in der Welt“. Das Bild zeigt ein paar bedrohlich aussehende Wolken auf dem Abendhimmel über Genf.

In „Look with My Eyes“ photographiert Kull das Eyebeam Art and Technology Center – mit geschlossenem Eingang. Aus dem Tor am Boden schlängelt sich ein kaum sichtbarer roter Faden. Für den Künstler symbolisiert es eine tiefe Verbindung zwischen der Innen- und Außenwelt. Mit jeder ihrer Arbeit, scheint Kull immer zu fragen, „Wie findet das „Ich“ eines Individuums seinen persönlichen Ausweg?“. Mit einer unverwechselbaren Perspektive die Welt befragend, bleibt Kull mit Leichtigkeit im künstlerischen Gleichgewicht, ob sie nun einen Pinsel in der Hand hält oder hinter der Kamera steht. „Wahrnehmung zwischen Rationalität, Emotion, und Transzendenz ist die Grundlage meines Schaffens,“ sagt Kull. „ In meinen verschiedenen poetischen Bildserien und digitalen Photographien, gehe ich in die „Stille“ der Grenzgebiete von verschiedenen Sphären und Realitäten dank meditativen inneren Reisen.“ Diese Reisen, wie auch die realen durch die Kontinente, dienen ihr als Muse. Als ein scharfer Beobachter von Kulturen, der sozialen und politischen Atmosphäre der Welt, durch die Medien und alltägliche Erfahrungen, hebt Kull das banale und profane hervor und verwandelt es in ein übernatürliches Porträt der transzendentalen Serendipität.

Heidemarie Kull und die Kunst der Beobachtung: Was verbirgt sich dahinter?
Artikel von Arhan Virdi im NY ARTS Magazine, Ausgabe Mai/Juni 2005

In Anspielung auf die verzerrten Figuren von Picasso, den bunten Pinzelstrichen von Degas und die Jung'sche Erforschung des „Ichs“, illuminiert HMK mit ihren neusten Bildern die Leinwand. HMK erforscht die Komplexität von Farben und Metaphern. Ihre imaginären Figuren und mystischen Kompositionen entspringen dabei einem Schmelztiegel künstlerischer und literarischer Einflüsse.

In ihrer neusten Serie „Menschen, Götter und Dämonen“ erkundet HMK die Vielfalt der menschlichen Spiritualität. Mit Sphinx malte sie ein Wesen, das in einem spirituellen Höllenpein gefangen ist, weil es teils menschlich, teils göttlich ist. Es ist ein gradliniges Gemälde mit wenig Bewegung und dennoch scheint der goldene Hintergrund die mehr lineare grüne Sphinx in den Vordergrund zu drängen. Die Sphinx ist das zentrale Symbol dieses Kunstwerkes, physisch als auch metaphorisch. Ihr breites Grinsen und die offenen Augen ermutigen den Betrachter, sich länger mit der Figur zu beschäftigen. Mit ihrem orientalischen Zauber wirkt die Gestalt sofort fesselnd und einnehmend. Sie trägt ein Bindi, ein Zeichen des Respekts an die Hindu-Götter. HMK greift die archaischen und matriarchaischen Unterschiede der Menschheit auf und symbolisiert sie durch dieses mystische und mythologische Wesen.

Wie die meisten Künstler und Dichter beschäftigt sich HMK mit fundamentalen Fragen des Lebens, wie Geburt, Tod, Individualismus und Spiritualität. Zu Prophet mit zwei Gesichtern sagt HMK: „Er verweist auf Menschen, die die Gabe haben, in sich selbst hineinzusehen.“
Die Gesichter erscheinen siamesisch oder als der Teil eines Ganzen. Eines schaut direkt auf den Betrachter, das andere wendet leicht skeptisch den Blick ab. Vielleicht kann man das zweite Gesicht als dasjenige Gesicht verstehen, das auf der Suche und Erforschung unseres anderen „Ichs“ ist. HMK überlässt es dem verwunderten Betrachter zu entscheiden, welches Gesicht das „Ich“ ist, das wir sehen, und welches das „Ich“ ist, das wir finden. Auch hier verwendet HMK eine Palette von goldenen, gelben und orangen Farben, und leicht gewundene grüne Linien kennzeichnen die Gesichtsausdrücke des Propheten. Der visuelle Eindruck ist intensiv. Und so spiegelt sich der verwunderte Betrachter in den ernsten Blicken der Figuren.

Ihre Vorlieben für Reisen und Philosophie haben die Werke von HMK nicht nur konzeptionell sondern auch inhaltlich geprägt. Die kantigen und entstellten Gesichter erinnern an Picasso, die auffallenden Farben, die sie benutzt, gleichen Dalis und ihre Farbzüge sind eine Reminiszens an Degas und Braque. HMK bezeichnet diese Maler auch als diejenigen, die sie am stärksten beeinflusst haben. Reisen nach Kenya, Nepal, China - und besonders ein Besuch in Potala - der ehemaligen Residenz des Dalai Lama - hat ihren künstlerischen Fortschritt einschneidend geprägt. Ihre Zuneigung zu fernöstlicher Spiritualität und Kultur vibriert in ihren Werken ebenso wie ihr Sinn für andere Welten. Die Bilder von HMK sind mystisch und zugleich verführerisch. Der Betrachter wird ermutigt, jede Figur intensiv zu betrachten, damit er sie voll erfassen kann. Der Prophet würde gewiss dazu raten.

Heidemarie Kull: Zwischen Primitivismus und dem Geist des Kubismus
Artikel in der Libertà vom 19.05.2005 anlässlich einer Ausstellung in der Galerie "Studio Jelmoni" in Piacenza (Übersetzung von Dagmar Bruss)

Die Kunstgalerie Jelmoni zeigt „I segni ed i segnali“ (Die Zeichen und die Signale), erlesene Werke einer deutschen Malerin von internationalem Rang, Heidemarie Kull (1947), deren Wirkungskreis sich von Europa bis nach Amerika erstreckt, wo sie die allseitige Anerkennung der Kritik genießt. Zweifellos handelt es sich um eine bemerkenswerte Persönlichkeit: In ihrer Malerei fließen mystische Aspekte, ein kraftvoller Primitivismus sowie ein kühner kubistischer Geist in einer schemenhaften, doch nicht minder einprägsamen Weise zusammen.

Hier finden wir Bilder von starker visueller und psychischer Kraft, eine heroische Menschheit, zwischen Mythologemen und einer Sehnsucht nach einem mythischen Goldenen Zeitalter schwebend, wo mysteriöse und ursprüngliche Mächte vorherrschten; eine feierliche Hei-ligkeit, erwacht durch den unmittelbaren Kontakt zur Natur, frei von der Geißel der modernen Technik. Von paradigmatischer Natur sind die Werke nahe dem Eingang: Der Prophet, ein quasi-doppelköpfiger Janus, Verwahrer von Geschichte und Anti-Geschichte; der Pharao, höchste Gottheit, Emblem des Monotheismus; der Dämon mit einem Blick voller Finsternis und Grauen. Doch die Malerei der Kull regt zu Vergleichen mit der Aktualität an, sie nährt das moderne Verlangen nach dem Absoluten. Im großen Saal strebt Voller Frieden nach der Eintracht unter den Völkern; der Grenzgänger setzt gespaltene Entitäten voraus; Sphinx: die verborgene Seite von uns allen; Sonnenvogel: Bestreben, Mensch und Natur zu vereinen; Grünes Männchen: beinahe ein verwirrter und wehrloser Außerirdischer. Wenn Schamane dann über okkulte Kräfte verfügt, besitzt Astrophysiker dagegen die eindeutigen und legitimierenden Kräfte der Vernunft.

Der Ausstellungsrundgang setzt sich in einem anderen Raum zu Themen der Finsternis fort - Das Schiff Gottes, Der Seher und Die Seherin - um, im letzten Saal, zu dem entgegengesetzten Extrem zu gelangen: innere Ruhe mit Gelber Frau mit vermittelnder Sicht auf Bewußtes/ Unbewußtes mit dem großen, doppeldeutigen Priester der göttlichen Gefiederten Schlange.

Vielleicht stammen die Kreaturen der Kull von einem anderen Geschlecht ab, vielleicht sind sie Halbgötter, die sich nach platonischer Manier in den Zwischenwelten aufhalten und uns majestätisch beobachten, Mahnungen, Zeichen und Signale aussenden. Doch sind sie auch Projektionen existentieller Unruhe, pochendes Verlangen nach moralischer Befreiung, ver-stecktes Aufbegehren gegen die Abstumpfung und den Konformismus der Massengesellschaft. Eine genaue historische Einordnung zu finden, fällt schwer: Kull läßt Anklänge an die Fauves und an die expressive Freiheit Gauguins erkennen, an den ergreifenden Experimenta-lismus von Picasso und von einigen Wandgemälden von Orozco, läßt aber auch die Kraft und Dynamik eines gewissen, im Aufwind befindlichen afrikanischen Malstils erahnen, ohne dafür Themen wie Mafia und Folklore zu verschmähen.

Wie gewohnt, präsentiert das Studio Jelmoni den Piacentinern demnach eine exzentrische, originelle, ja vielleicht sogar rätselhafte Künstlerin, die in den bedeutenden internationalen Kunstkreisen eingeführt ist und sich auf der Höhe der problematischen und zugleich prickeln-den zeitgenössischen europäischen Kunst befindet.

Lee Klein, Kunstkritiker, NY ARTS Magazine New York, 2002

With a radiant palette Heidemarie Kull depicts her own artistic other world. This place is a strange amorphous pictorial realm of the fiery ethers populated in the majority by at turns strong; bemused, and confident women. These women are then portrayed alternaterly realistically and in the abstract-- out of myth sace and in dream time. A hefty menu of elements including art deco, world mythological, fauvist (even Gauguinish) riffs, and a lettle bit of "Lucy in the Sky with Diamonds" are then combined to capture an ever changing dramatis personae.

The voluptuous colors of the painted desert evoke an eye penetrated by the rays of a strong light and the drunken sunshine of the tropics illumines other subjects. Thus sometimes the resulting shades invade her choice of hue. Many of the pictures seem as if sets for some personal ballet played out from within from her subconscious. Indeed if many of these women may be portrayals of the facets of the artist; maybe, she has designed curtains leading into the stage set for the Radio City Music Hall of her psyche.

Herein places a nineteen twenties roaring-twenties age of Coco Chanel cocktail dresses, afghans on leashes (clasped by the delicate hands of elegant women in haute couture), porcelain drinking straws, oversized bicycles, and Duesenberg autos in recovered. Thus a time of color and frivolity is conveyed. In otheer places women wearing turbans or hair coverings effect a serious and poised look. The buxomness of the figure in "Time" and the manner in which the fills out her bustier give on the feeling of the erotically charched representations of the female form (women dressed like a human pinball machines in bondage) of the late German expatriate Richard Lindner.

Certainly the Romantic/Teutonic conversation between the north and south of Europe (as in Thomas Mann) is manifest within Kull`s work. It can be seen in "head in circles with Yellow Line" that Kull takes this dialectic a step further south. The aforementioned work registers sort of as paintig as exotic head shot. In this picture an African tribal woman `s head andneck are the only parts of her body visible ( while her upper torso is not made out yet suggested by a swoop of red which comes down around it.)
Meanwhile, a series of gold necklaces is visible - the red of the swoop line playing off against the gold color of the jewelry which is also the color of the back field which as the work`s title indicates is intended to be the sand.

Strong Germanic statuesques femmes are depicted in Mediterranean or tropical light. Hair weaves effect strange geometries, lovers embrace, winged creatures descend, knights in full armor appear. Indeed sometimes this opus is reminiscent of mineral water posters in an expensive theme park pasta restaurant which has become the star dining attraction in a small American city. Its unintended cuteness maybe its charm as we are invited into the artits world and asked to embrace color and light of more innocent time.

Large orange balls are the artits`prop of choice. Therein these objects lends somewhat of a feeling of modern dance to the works inwhich they appear. Moreover the figures in the paintings as played of against the spheres are as if by motioned choreographers for dancers performing solo.

In "End and Beginning Fire-Proff" the strong female figures have a wingspan and in turn a bird and its own pure avian wingspan serve as her hair cover. The wingspan is outstretched as if the figure is soon to drive a chariot. These tall upright figures at times can remind one in their angularity of Babylonian or Egyptian friezes on stone edifices of charioteers or ancient royales riding into battle.

At the other far end of Kull ´s vocabulary in "Steps" a woman in a cherry red two piece short set holds a large orange ball against her shoulders and neck. Her hair under a lilac and white head wrap is set of against her eyes and lashes being done up in a similarly colored accordance of make up.

In "Face to Face" again a woman with a wingspan for extremities and a tropical bird for a head piece opens out into a color field lit by a red orb, a fiery red orb. The sky in places has turned orange like said fruit drowned in sangria (or orange juice mixed with the fruity wine). Then a diagonal window opens to a blue sky lit by an orange sun as stands to the side a knight, helmet shut armor gleaming. This proto mythological confrontation or coming together (have it your way) could certaunly be a north south parallel to male female and relationship thats is emboldening for both.

Lia Venn, Frankfurter Rundschau vom 15.5. 2001, über die Ausstellung "Installation und Objekte", Rosenborn-Galerie Zauberberg

Geräuschlos dagegen ist die Installation von Heidemarie Kull. Die Künstlerin aus Neuenbürg bei Pforzheim arbeitet selten mit Objekten, überwiegend malt sie oder dichtet - aber immer geht es ihr um die Identität de Menschen.
TONLOS nennt sie ihr Objekt, das, wäre es gemalt, wie eine meditative Tarotkarte wirkt, In einem Hohlkörper ist am Boden ein Dreieck eingefasst, wie eine durchsichtige Pyramide oder ein spitzes Dach. Dieses behütet gleichsam ein vergoldetes Ei; das hat es sich auf einer Schale Salz gemütlich gemacht, die wiederum auf einem Gemisch aus Sand, Schotter und Samen sitzt. Darüber hängt von der oberen Seite des Hohlkörpers ein Kreis herab, auf den ein Auge gemalt ist.

Dr. Claus-Peter Böhner, Kunstwissenschaftler aus Mannheim, über Heidemarie Kull

Heidemarie Kull sagt: "Ich male das, was ich noch nicht sprechen kann", malt also, was sie bewegt, was sie fühlt, was sie antreibt, vielleicht aufwühlt; sie kehrt das Innerenach außen, sie bannt mittels Pinsel und Farbe ihr Innerstes auf die Leinwand, um sich selbst zu vergewissern und sich zugleich uns Betachtern mitzuteilen. So auch in dem Bild "Lichtträger". Neben der Farbgebung Rot - Blau - Grün - Gelb - kräftig und leuchtend - sind die zahlreichen symbolischen Anspielungen hier augenfällig: Der gelbe Kreis, der zugleich Licht als das Innen und Außen reflektiert, das Lamm als Zeichen der Unschuld sowie die Musik als Teil des Göttlichen. In Heidemarie Kull`s Bilderwelt ist eigentlich alles mehr oder weniger Symbol, der Symbolismus als Ausdrucksmöglichkeit, in allen Kulturen verborgene Grundmuster, die in Mythen, Legenden, Sinnzeichen und Allegorien verschlüsselt aufbewahrt sind, dem Betrachter nahezubringen. Kunst wird hier als spezifisch ästhetisches Medium zur Vermittlung einer positiven Lebensphilosophie begriffen, vielleicht nicht zuletzt aus der persönlichen Einsicht heraus, das das Fundament der Seele nicht allein vom Verstand bestimmt wird.

"Kraft und Verwandlung in den Bildern Heidemarie Kulls" - Der Schriftsteller Andreas Thorn über Heidemarie Kull

Mit wachen Sinnen möchte Heidemarie Kull, wie sie es selbst sagt, die Schöpfung in ihrer Vielfalt erfahren. Rätselhaft mitunter, sind ihre Bilder immer Denkanstöße, Wagnis zu neuer Sicht, ein Vortasten in neue emotionale Räume auch. Farben spielen in ihren Bildern eine große Rolle. Das Rot des Blutes, wann schreckt es oder glüht es leidenschaftlich - Farben sie sind eine eigene Sprache der Schöpfung, gehören zum Licht, zum Anfang, als Gott Licht und Finsternis trennte.

In ihren leuchtenden Farben vermittelt Heidemarie Kull doch Hoffnung und Zuversicht, ohne Abgründe, Bedrohung und Tod verleugnen oder verdrängen zu wollen. Doch als ob Zerstörung nicht das letzte Wort behalten darf, hält so isoliert auf einem Bild die längst vom Körper getrennte Hand einen Kreis oder eine Kugel aufrecht. Schriftkreise oft, gelbe Sonnen oder Sonnenbälle, balancierende schwebende Bälle, all diese Kreise und Kugeln stehen für die Sehnsucht nach Findung, Vollendung, Einheit, Harmonie. Die Kreise - ihre Schriftzeichen, ihr Alphabet ist die Utopie überwundener Bedrohung.

Die Zerstörung hat nicht das letzte Wort. So sehen wir glücklich die Tochter Noahs mit wehendem Rock ihre Arme zum Himmel strecken, eine rote Taube auf ihrem blauen Haar. Die Sintflut liegt hinter ihr.

Heidemarie Kulls Bilder deuten oft Religiöses, Mythen, Archetypisches an, ihre orientalischen Kopftücher, Dolche, goldene Blüte, Vogel, ägyptische Königsschlange und Phönixflammen, aber sie zitieren derlei Zeichen still rätselhaft vieldeutig, ohne grell platt einfach nur symbolisch zu sein. Mögen ihre meist weiblichen Figuren neben hermaphroditisch männlichen oft auch Seelenkräfte der Heilung sein wie die Frau mit der goldenen Blüte im weißen Kleid.

In ihren Bildern findet Heidemarie Kull zu neuer weiblicher Identität, doch zeigen manche Bilder auch noch Spuren von Zerrissenheit und Gefährdung auf dem Weg dorthin. Hinter exotischen Kopftüchern scheinen verborgen zu sein noch unbekannte, doch im Zaum gehaltene Kräfte.

In Heidemarie Kulls Bildern finden so immer auch Umbrüche, Denkanstöße und Findungen statt. Oft geschieht dies unscheinbar in der Stille. In einer Stille, die jedoch kein Idyll ist, sondern durch Kratzer, Schatten und Trauer geht. Stille durchzieht auch die Gedichte von Heidemarie Kull. Ich zitiere eine Stelle:

tonlos
lautlos
sanft
steigst du in mein
herz das
sandige

webst
ein netz geknüpft
aus worte
um meine hände

Die Stille hörbar machen. Sichtbar machen das Verdrängte. Durch Bedrohung und Angst, mitunter über Abgründe hinweg versucht die Kunst einen Weg der Wahrnehmung. Wir alle sind schockiert noch von den Ereignissen des 11. Septembers. Nicht nur seit dem 11. September, aber verstärkt doch nun, ist Aufgabe der Kunst immer das Gespräch zwischen den Kulturen. Heidemarie Kull geht diesen Weg, öffnet sich Fremdem, Neuem. Zieht ihre Kreise und kehrt immer wieder in ihre Gegend um Neuenbürg zurück.

Sich weder durch Erfolg noch durch Mißerfolg blenden zu lassen, sondern sich bewußt zu sein, daß Kunst immer Wahrnehmung, produktive Auseinandersetzung ist, Atem auch in drohender Erstickung. Nicht nur leeres Mediengerassel, Konsumseifenblase, ideologische Etikettenschachtel. Unsere Spaßgesellschaft mit ihrer Arbeitslosigkeit und den vielen Stimmen, die in den Medien nicht so vorkommen, unsere Nur-Unterhaltungsindustrie hat am 11. September einen Einbruch erlitten. Ein Einbruch, der zur Umkehr auch und zur Besinnung auffordert.

Als Figur des Überlebens und der Überwindung gilt in der Kunst immer der mythische Vogel Phönix, der aus der Asche verjüngt wieder aufsteigt. Heidemarie Kull malt ihn als Ende und Anfang, kniend, feuerfest, beflügelt und siegend.

Diese zähe, unbesiegbare Kraft des Phönix in den Bildern zu spüren und zu entdecken, dazu sei der Betrachter eingeladen, zu diesem Flug des Phönix, Erneuerung stets, Unbefangenheit, Ausdauer und Frische, unbeirrbare Schaffens- und Lebenskraft.


Der Kunstkritiker Stefan Biffiger über Heidemarie Kull

Heidemarie Kull (HMK), Jahrgang 1947, die in Neuenbürg bei Pforzheim lebt und arbeitet, hat in ihrem bisherigen Schaffen vor allem menschliche Figuren dargestellt: in den letzten Jahren vorwiegend Frauen in antikisierenden Gewändern und stilisierten Gesichtszügen, wobei vor allem die Betonung der Augen, aber auch Kopfschmuck und symbolische Anspielungen an altägyptische Darstellungen erinnern. Auch mit den Farben - intensive und leuchtende Rot-Blau-Gelbtöne - schafft sie eine besondere Atmosphäre, die Geheimnis und Geborgenheit gleichermaßen vermittelt. Immer sind ihre Bilder direkter Ausdruck ihrer Gedanken und Gefühle, ihrer Betrachtung von Innen- und Aussenwelt; an der Leinwand arbeitet sie sehr intuitiv. Nur so ist auch die abrupte Stiländerung ihrer neusten Werke zu verstehen, die sie unter dem Eindruck und dem Schock des 11. Septembers gemalt hat. Was vorher sehr gebändigt, von starken Konturen umgrenzt und ruhig meditativ erschien, wird nun wild, sehr expressiv und abstrakt in Art eines eruptiven "action painting" auf die Leinwand geworfen - Ausdruck der starken Betroffenheit der Künstlerin. In die heftigen Pinselstriche und -spritzer in eher dunklen Farben werden Fotos und Zeitungsbilder geklebt und teilweise auch wieder übermalt. Diese Fotos von Flüchtlingen, Attentätern, Opfern, Menschengesichtern lassen den aktuellen Bezug noch deutlicher werden. Rote Farbspritzer erscheinen auf diesen Bildern wie Blutflecken: ein eindrückliches Memento. Das grosse Bild mit dem Schriftzug "freedom", der wie ein Aufschrei wirkt, ist ganz in Dunkelbraun, der Farbe der Erde oder des Rostes, gehalten; das eingesetzte angesengte und rostige Türschloss steht symbolisch für Brand und Verheerung. Die an sich abstrakte Komposition erscheint plötzlich wie ein riesiges Gesicht, wie ein Schlund auch, in dem alles verschwindet: apokalyptische Ahnungen klingen an, etwas gemildert und im Gleichgewicht gehalten durch einige sanfte und positiv besetzte gelbe Kleckse, rote Ringe und rhythmisch verteilte Farbtupfer. Ein eindrückliches Bild ist auch das einfache Bild "11. September IV". Ein schwarzer runder Farbklecks auf hellem Grund, der nach allen Seiten wie in einem Magnetfeld Spritzer aussendet oder empfängt, wird von einem rosafarbenen, plastisch wirkenden, unregelmässigen Farbverlauf in Form eines flatternden Tuchs von den in der rechten unteren Ecke eingeklebten Menschenbildern abgewehrt. Das Bild lebt von heftiger Bewegung und ausgleichender Spannung. Die neue expressive Art zu malen verändert auch das Menschenbild der Malerin. Die Augen der nur in Umrissen angedeuteten Frau auf dem ausdrucksstarken roten Gemälde zeigen nun direkt Furcht und Schrecken, aber auch Abgeklärtheit in all der Zerstörung, aber dennoch keimt in ihnen auch Hoffnung: die Sonne geht weiter auf, und die Pflanzen und Blumen streben weiterhin zum Licht.


Ausschnitt aus Frankfurter Rundschau vom 15.8.2002

"Gewalt ist Ausdruck geistiger Ohnmacht" - Ausstellung "Gewalt und Terror" in der Zauberberg Rosenborn-Galerie

HMK: "... Meine Arbeit hat sich seitdem (11.9.2001) grundlegend geändert", sagt Heidemarie Kull. Während sie bisher mit kräftigen Farben aufwändige Gemälde schuf, wirken ihre Beiträge zur Zauberberg-Ausstellung wie flüchtige, blasse Momentaufnahmen einer zerstörerischen Vorahnung, die im verzweifelten Schrei nach Frieden und Freiheit enden. Darin verbirgt Heidemarie Kull die Botschaft: "Wir müssen mit wachen Augen durch Leben gehen und dürfen nicht die Gefahr verdrängen, die vom sogenannten fundamentalen Islamismus ausgeht ..."


Presseberichte zur Austellung in der Eighth Floor Gallery, New York City, im Mai 2002

NY ARTS Magazine, 06/2002

[...] Heidemarie Kull’s recent paintings, on view in New York City last month, are an exploration of the symbolic potential of the figure. The grounds for the paintings are predominantly orange and most of them present a portrait of a woman. The work “Shaman” sets the tone for the exhibition. A woman’s head in profile, with starkly white skin, is set against a dark form in an orange field of paint strokes. Around her visible eye is a ring of red and on her head she wears a kind of headdress. Kull directs the viewer not with subtly expressive faces but with the bold coloring and isolated props of each painting. In “Woman with a Red Cross” the woman faces the viewer in a sheer long sleeved blouse and wears a different kind of head gear than in Shaman, a pied bohemian scarf. She gazes straight at the viewer her face suggestively colored in pink around the eyes. Aloft she holds a red cross on a white ground.
These two paintings suggests the poles of the works in this exhibition. In “Shaman” one imagaines the representation of a kind of Goddess, an otherworldly figure and a symbol of power; In the second painting one guesses, from the earth bound sensuality of the woman depicted and her real feeling engagement of the viewer, that she is a real woman who takes her symbols of power from her quotidian surroundings. The work “Time” depicts a woman in contemporary business attire. The word “time” itself is written in the background of the painting -- unlike many of the paintings that seem to point to ancient Egyptian art (“Woman with Golden Blossom”) or classical Greek art (“Freedom” -- a one armed figure with paint brushes tied to the hip) this painting is very much of our time. Not all of the works are easy to decipher. “Untitled,” 2002 seems to depict male of African descent leaning over a doll size figure seated in a minimalist throne and surrounded by geometric shapes. The work is once very clear in its presentation of forms and yet enigmatic in its possible meanings. If the viewer looks at Kull’s poems in her recent catalogue it becomes more clear that the language of her paintings, also, is deliberate yet open, more strongly suggestive than didactic.


Pforzheimer Zeitung, 5. Juni 2002

NEW YORK, NEW YORK

Heidemarie Kull, Künstlerin aus Neuenbürg, über ihre zweite Ausstellung in New York.

Von Neuenbürg nach New York - schon im vergangenen Jahr stellte Heidemarie Kull dort aus, nun waren 13 ihrer großformatigen Werke vom 10. bis 26. Mai in der "473 Broadway Gallery/Eigth Floor Gallery" von Abraham Lubelski zu sehen. Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 bekam das Erlebnis New York für Heidemarie Kull, die sich auch künstlerisch damit auseinandersetzte, eine weitere Dimension. Wieder zurück in Neuenbürg, hat sie sich mit PZ-Redakteurin Ulrike Trampus darüber unterhalten.

Pforzheimer Zeitung: In der Zeitschrift "NY Arts" vom 12. Dezember 2001 bescheinigt Ihnen der Kritiker Steffan Biffiger einen abrupten Stilwechsel unter dem Eindruck der Ereignisse vom 11. September. Nun haben Sie den Tatort selbst gesehen, standen am Ground Zero. Wird sich dieses Erlebnis auf Ihre kommenden Arbeiten auswirken?
Heidemarie Kull: Das, was ich im Schock direkt nach dem 11. September gearbeitet habe, war die Verarbeitung des Geschehnisses mit Farbe, mit Worten, mit Gefühlen. Bei diesen Arbeiten, die ich "Augen-Blick" nenne, habe ich gemerkt, wie sehr ich verletzt worden war. Ich habe den Anschlag als Gewalt an mir selbst empfunden, obwohl ich gar nicht am Ort des Geschehens und scheinbar nicht betroffen war. Ich habe diesen Schock verarbeiten müssen und durch die Arbeit wieder mehr Ruhe gefunden.

PZ: Sie knüpfen jetzt wieder nahtlos an Ihre bisherigen Arbeiten an?
Kull: Im Gegensatz zu meinen bisherigen Arbeiten, verwende ich nun mehr Weiß im Hintergrund. Nach meiner Rückkehr aus New York habe ich eine angefangene Arbeit, die einen rot-blau-weißen Hintergrund hatte, transparent weiß überarbeitet.

PZ: War die Serie "Augen-Blick" in NY zu sehen?
Kull: Ich habe ein Bild mitgenommen, ein Frauenbildnis. Es ist eine in explosivem Rot stehende, im Schrecken erstarrte Figur zu sehen. Man sieht allerdings einen Schimmer Gelb - das zeigt meine Veranlagung, in allem immer und überall noch einen Lichtschimmer sehen zu wollen.

PZ: Das Auge ist es, das in Ihren Werken eine zentrale Funktion hat - wenn Sie Ihre erste Ausstellung in New York mit der jetzigen vergleichen, was sehen Sie dann? Betrachten Sie die Stadt mit anderen Augen?
Kull: Unbedingt. Letztes Jahr bin ich das erste Mal der Kunstszene dort begegnet und konnte gar nicht alles auf einmal fassen. Dieses Jahr ist New York für mich viel kleiner geworden, ich habe mich wohl gefühlt, Kontakte geknüpft und könnte mir vorstellen, längere Zeit dort zu leben.

PZ: Von Neuenbürg nach New York. Ist das ein großer Schritt oder gar ein Spagat?
Kull: Ein Spagat, den man trainieren muss. Ob er gelingen kann oder ob man ihnü abbrechen muss, weiß man allerdings erst nach gewisser Zeit.

PZ: Was ist das besondere daran, in New York auszustellen?
Kull: Es hat einen großen Reiz, in einer Kunstszene dabei sein zu können, die immer in Bewegung ist, die Tendenzen aufspüren möchte. Man lernt sehr viel dabei.

PZ: Was ist organisatorisch zu beachten?
Kull: Man muss sehr konzentriert auf die Ausstellung zu arbeiten. Papierarbeiten sind zu erledigen, Gespräche mit den Galeristen und seinen Mitarbeitern führen. Am Anfang, wenn man sich nicht auskennt, bekommt man am Zoll viele unterschiedliche Auskünfte und muss lernen, die richtigen Fragen zu stellen.

PZ: Was ist die wichtigste richtige Frage?
Kull: Wie bekomme ich meine Bilder wieder zurück. Im vergangenen Jahr glaubte ich, dass der Galerist dies organisiert, bemerkte aber schnell, dass man alles selbst in die Hand nehmen muss.

PZ: Haben Sie Ihre Bilder schon?
Kull: Sie sind auf dem Wege, ich erwarte sie in diesen Tagen. Bei meiner ersten Ausstellung in New York hatte ich Angst, dass etwas beschädigt werden könnte - wir werden sehen, ob die Kiste mit meinen Bildern auch dieses Mal heil ankommt.

PZ: Lohnt die Mühe?
Kull: Es geht mehr darum, die Chance, die sich bietet, zu ergreifen. Ich liebe die Herausforderung, das Risiko. Ich arbeite gern und viel und habe deshalb nicht gezögert.

PZ: Und was kommt jetzt?
Kull: Im August die Gruppen-Ausstellung "Kunst gegen Terror" in Frankfurt, dann beteilige ich mich mit Selbstporträt an einer Schau in Bologna, im Herbst gehe ich zur Kunstmesse Salzburg und im nächsten Jahr wieder nach New York. Außerdem plant Abraham Lubelski in Berlin eine Galerie zu eröffnen. Er fragte mich ob ich für ihn Ausstellungen organisieren möchte.

PZ: Also von Neuenbürg nach Berlin?
Kull: Mein Sitz wird Neuenbürg bleiben. Aber das Leben ist in Bewegung.

Das Interview mit Heidemarie Kull führte Ulrike Trampus (Redaktion PZ).


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produced by Heidemarie Kull & Thorsten-Michael Kull