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andere über heidemarie kull
Glückliche Schnappschüsse Mit einer unverwechselbaren Perspektive die Welt befragend, bleibt Kull mit Leichtigkeit im künstlerischen Gleichgewicht, ob sie nun einen Pinsel in der Hand hält oder hinter der Kamera steht. Heidemarie Kull liebt es zu reisen. Es waren ihre Trips nach Afrika, Jamaika, Haiti, China, Tibet , den Himalaya und Nepal, die ihre Werke am meisten inspiriert haben. Mein Interesse an verschiedenen Kulturen wurde von teilweise abenteuerlichen Reisen durch die Kontinente unserer Welt verstärkt, sagt Kull. Ob sie malt, zeichnet oder photographiert, schafft sie es, ihren Gedankengang auf Leinwand, ein Blatt Papier, oder durch das Objektiv einer Kamera zu übertragen. Ihre Ölgemälde besitzen picassoische Merkmale: dynamische Farbformen und deformierte Gesichter und Figuren von Menschen. In Sphinx mit rotem Faden wird eine Sphinx in Regenbogenfarben auf einem Safran Hintergrund dargestellt, der als Teil ihres Gesichts ein beleuchtetes Gebäude zu sein scheint, daneben in einem weißen Block ein Auge, welches neben der Sphinx schwebt. Ein bizarres Bild. Das Gemälde stößt den Betrachter in eine eigenartige Fantasiewelt, wo ein verwirrendes mythologisches Kompositum benutzt wird, welches an die antike und matriarchale Struktur der Menschheit erinnert. Ein Wesen zwischen Himmel und Erde mit all seinen faszinierenden Facetten, das an Gottheiten vergangener Welten erinnert, sagt Kull. So glühend und leidenschaftlich die Sphinx mit rotem Faden sein mag, Kulls Serie Berliner Gesichter behandelt ein düsteres Thema mit trüber Farbskala. Durch einen kurzen Aufenthalt in Berlin inspiriert, malte Kull diese verzweifelte Gestalten, jede scheinbar auf der Suche nach Erlösung, sogar wenn sie nur zeitlich begrenzt sein sollte. Ich habe nicht die Absicht, die physische Ähnlichkeit wiederzugeben, sagt Kull , eher möchte ich den momentanen psychologischen Zustand oder das Wesen der dargestellten Personen sichtbar machen. Während ihre früheren Werke hauptsächlich Ölgemälde sind, unterscheiden sich diese neuen Bilder drastisch. Atmosphärische digitale Photographien von Natur- und Stadtlandschaften in Europa und Amerika. Der Kontrast zwischen ihren robusten und pulsierenden Werken / Öl-auf-Leinwand und ihren minimalistischen und ruhigen Photographien zeigt die vielen Aspekte ihrer Kunst. Was wie ein Video-Standbild scheint, fängt Kull mit ihrer Kamera den Künstler Damian Ortega in Bewegungein. Ein Gefühl von Unruhe erfüllt das graue Bild, ein wenig romantisch, ein wenig unheimlich. auf meiner Photographie ist Ortega's Kopf zersplittert und gleichzeitig in Bewegung, sagt Kull. Ebenso wie in seinem Video-Werk die aufgereihten immer wiederkehrenden fallenden Berliner Steine (Mauern) aus dem zweiten Weltkrieg , welche in seinem Video-Werk in seiner Ausstellung im Hamburger Bahnhof Museum in Berlin (2007 ) so zu sehen waren. In einem anderen Werk Spuren eine spontane Liebeserklärung an die Welt (die Worte im Sand bedeuten ich liebe dich). Ich fand sie an einem mir unbekannten Strand". Ein Moment der emotionalen Eruption ist in diesem Bild eingefangen. Die Liebe der Künstlerin zur Natur wird auf einer Photographie von weißen Blumen im Lac de Moiry in der Schweiz deutlich. Diese Blumen sind sehr selten und blühen nur kurz im Sommer in dem Gletschersee. Dieses Bild weist nicht nur auf die Vergänglichkeit des Lebens hin, sondern auch auf die ultimative Macht der Schöpfung. Es stellt sich die immer wiederkehrende Frage: Wie können wir die ökologische Krise unserer Zeit bewältigen und die Erde schützen? In der Photographie Reflection transformiert Kull eine zufallsbedingt Szene . Der Vogel mit dem zufälligen Spiegelbild auf der metallischen Fläche erinnert an einen Totempfahl, der die Vergänglichkeit und die sich ständig ändernden Wege der Realität symbolisiert. Ein inspirirendes modernes skulpturales Gemälde. In Look with My Eyes photographiert Kull das Eyebeam Art and Technology Center mit geschlossenem Eingang. Aus dem Tor am Boden schlängelt sich ein kaum sichtbarer roter Faden. Für den Künstler symbolisiert es eine tiefe Verbindung zwischen der Innen- und Außenwelt. Mit jeder ihrer Arbeit, scheint Kull immer zu fragen, Wie findet das Ich eines Individuums seinen persönlichen Ausweg?. Mit einer unverwechselbaren Perspektive die Welt befragend, bleibt Kull mit Leichtigkeit im künstlerischen Gleichgewicht, ob sie nun einen Pinsel in der Hand hält oder hinter der Kamera steht. Wahrnehmung zwischen Rationalität, Emotion, und Transzendenz ist die Grundlage meines Schaffens, sagt Kull. In meinen verschiedenen poetischen Bildserien und digitalen Photographien, gehe ich in die Stille der Grenzgebiete von verschiedenen Sphären und Realitäten dank meditativen inneren Reisen. Diese Reisen, wie auch die realen durch die Kontinente, dienen ihr als Muse. Als ein scharfer Beobachter von Kulturen, der sozialen und politischen Atmosphäre der Welt, durch die Medien und alltägliche Erfahrungen, hebt Kull das banale und profane hervor und verwandelt es in ein übernatürliches Porträt der transzendentalen Serendipität. Heidemarie Kull und die Kunst der Beobachtung: Was verbirgt sich dahinter? In Anspielung auf die verzerrten Figuren von Picasso, den bunten Pinzelstrichen von Degas und die Jung'sche Erforschung des Ichs, illuminiert HMK mit ihren neusten Bildern die Leinwand. HMK erforscht die Komplexität von Farben und Metaphern. Ihre imaginären Figuren und mystischen Kompositionen entspringen dabei einem Schmelztiegel künstlerischer und literarischer Einflüsse. In ihrer neusten Serie Menschen, Götter und Dämonen erkundet HMK die Vielfalt der menschlichen Spiritualität. Mit Sphinx malte sie ein Wesen, das in einem spirituellen Höllenpein gefangen ist, weil es teils menschlich, teils göttlich ist. Es ist ein gradliniges Gemälde mit wenig Bewegung und dennoch scheint der goldene Hintergrund die mehr lineare grüne Sphinx in den Vordergrund zu drängen. Die Sphinx ist das zentrale Symbol dieses Kunstwerkes, physisch als auch metaphorisch. Ihr breites Grinsen und die offenen Augen ermutigen den Betrachter, sich länger mit der Figur zu beschäftigen. Mit ihrem orientalischen Zauber wirkt die Gestalt sofort fesselnd und einnehmend. Sie trägt ein Bindi, ein Zeichen des Respekts an die Hindu-Götter. HMK greift die archaischen und matriarchaischen Unterschiede der Menschheit auf und symbolisiert sie durch dieses mystische und mythologische Wesen. Wie die meisten Künstler und Dichter beschäftigt sich HMK mit fundamentalen Fragen des Lebens, wie Geburt, Tod, Individualismus und Spiritualität. Zu Prophet mit zwei Gesichtern sagt HMK: Er verweist auf Menschen, die die Gabe haben, in sich selbst hineinzusehen. Ihre Vorlieben für Reisen und Philosophie haben die Werke von HMK nicht nur konzeptionell sondern auch inhaltlich geprägt. Die kantigen und entstellten Gesichter erinnern an Picasso, die auffallenden Farben, die sie benutzt, gleichen Dalis und ihre Farbzüge sind eine Reminiszens an Degas und Braque. HMK bezeichnet diese Maler auch als diejenigen, die sie am stärksten beeinflusst haben. Reisen nach Kenya, Nepal, China - und besonders ein Besuch in Potala - der ehemaligen Residenz des Dalai Lama - hat ihren künstlerischen Fortschritt einschneidend geprägt. Ihre Zuneigung zu fernöstlicher Spiritualität und Kultur vibriert in ihren Werken ebenso wie ihr Sinn für andere Welten. Die Bilder von HMK sind mystisch und zugleich verführerisch. Der Betrachter wird ermutigt, jede Figur intensiv zu betrachten, damit er sie voll erfassen kann. Der Prophet würde gewiss dazu raten. Heidemarie Kull: Zwischen Primitivismus und dem Geist des Kubismus Die Kunstgalerie Jelmoni zeigt I segni ed i segnali (Die Zeichen und die Signale), erlesene Werke einer deutschen Malerin von internationalem Rang, Heidemarie Kull (1947), deren Wirkungskreis sich von Europa bis nach Amerika erstreckt, wo sie die allseitige Anerkennung der Kritik genießt. Zweifellos handelt es sich um eine bemerkenswerte Persönlichkeit: In ihrer Malerei fließen mystische Aspekte, ein kraftvoller Primitivismus sowie ein kühner kubistischer Geist in einer schemenhaften, doch nicht minder einprägsamen Weise zusammen. Hier finden wir Bilder von starker visueller und psychischer Kraft, eine heroische Menschheit, zwischen Mythologemen und einer Sehnsucht nach einem mythischen Goldenen Zeitalter schwebend, wo mysteriöse und ursprüngliche Mächte vorherrschten; eine feierliche Hei-ligkeit, erwacht durch den unmittelbaren Kontakt zur Natur, frei von der Geißel der modernen Technik. Von paradigmatischer Natur sind die Werke nahe dem Eingang: Der Prophet, ein quasi-doppelköpfiger Janus, Verwahrer von Geschichte und Anti-Geschichte; der Pharao, höchste Gottheit, Emblem des Monotheismus; der Dämon mit einem Blick voller Finsternis und Grauen. Doch die Malerei der Kull regt zu Vergleichen mit der Aktualität an, sie nährt das moderne Verlangen nach dem Absoluten. Im großen Saal strebt Voller Frieden nach der Eintracht unter den Völkern; der Grenzgänger setzt gespaltene Entitäten voraus; Sphinx: die verborgene Seite von uns allen; Sonnenvogel: Bestreben, Mensch und Natur zu vereinen; Grünes Männchen: beinahe ein verwirrter und wehrloser Außerirdischer. Wenn Schamane dann über okkulte Kräfte verfügt, besitzt Astrophysiker dagegen die eindeutigen und legitimierenden Kräfte der Vernunft. Der Ausstellungsrundgang setzt sich in einem anderen Raum zu Themen der Finsternis fort - Das Schiff Gottes, Der Seher und Die Seherin - um, im letzten Saal, zu dem entgegengesetzten Extrem zu gelangen: innere Ruhe mit Gelber Frau mit vermittelnder Sicht auf Bewußtes/ Unbewußtes mit dem großen, doppeldeutigen Priester der göttlichen Gefiederten Schlange. Vielleicht stammen die Kreaturen der Kull von einem anderen Geschlecht ab, vielleicht sind sie Halbgötter, die sich nach platonischer Manier in den Zwischenwelten aufhalten und uns majestätisch beobachten, Mahnungen, Zeichen und Signale aussenden. Doch sind sie auch Projektionen existentieller Unruhe, pochendes Verlangen nach moralischer Befreiung, ver-stecktes Aufbegehren gegen die Abstumpfung und den Konformismus der Massengesellschaft. Eine genaue historische Einordnung zu finden, fällt schwer: Kull läßt Anklänge an die Fauves und an die expressive Freiheit Gauguins erkennen, an den ergreifenden Experimenta-lismus von Picasso und von einigen Wandgemälden von Orozco, läßt aber auch die Kraft und Dynamik eines gewissen, im Aufwind befindlichen afrikanischen Malstils erahnen, ohne dafür Themen wie Mafia und Folklore zu verschmähen. Wie gewohnt, präsentiert das Studio Jelmoni den Piacentinern demnach eine exzentrische, originelle, ja vielleicht sogar rätselhafte Künstlerin, die in den bedeutenden internationalen Kunstkreisen eingeführt ist und sich auf der Höhe der problematischen und zugleich prickeln-den zeitgenössischen europäischen Kunst befindet. Lee Klein, Kunstkritiker, NY ARTS Magazine New York, 2002 Lia Venn, Frankfurter Rundschau vom 15.5. 2001, über die Ausstellung "Installation und Objekte", Rosenborn-Galerie Zauberberg Dr. Claus-Peter Böhner, Kunstwissenschaftler aus Mannheim, über Heidemarie Kull "Kraft und Verwandlung in den Bildern Heidemarie Kulls" - Der Schriftsteller Andreas Thorn über Heidemarie Kull Mit wachen Sinnen möchte Heidemarie Kull, wie sie es selbst sagt, die Schöpfung in ihrer Vielfalt erfahren. Rätselhaft mitunter, sind ihre Bilder immer Denkanstöße, Wagnis zu neuer Sicht, ein Vortasten in neue emotionale Räume auch. Farben spielen in ihren Bildern eine große Rolle. Das Rot des Blutes, wann schreckt es oder glüht es leidenschaftlich - Farben sie sind eine eigene Sprache der Schöpfung, gehören zum Licht, zum Anfang, als Gott Licht und Finsternis trennte. In ihren leuchtenden Farben vermittelt Heidemarie Kull doch Hoffnung und Zuversicht, ohne Abgründe, Bedrohung und Tod verleugnen oder verdrängen zu wollen. Doch als ob Zerstörung nicht das letzte Wort behalten darf, hält so isoliert auf einem Bild die längst vom Körper getrennte Hand einen Kreis oder eine Kugel aufrecht. Schriftkreise oft, gelbe Sonnen oder Sonnenbälle, balancierende schwebende Bälle, all diese Kreise und Kugeln stehen für die Sehnsucht nach Findung, Vollendung, Einheit, Harmonie. Die Kreise - ihre Schriftzeichen, ihr Alphabet ist die Utopie überwundener Bedrohung. Die Zerstörung hat nicht das letzte Wort. So sehen wir glücklich die Tochter Noahs mit wehendem Rock ihre Arme zum Himmel strecken, eine rote Taube auf ihrem blauen Haar. Die Sintflut liegt hinter ihr. Heidemarie Kulls Bilder deuten oft Religiöses, Mythen, Archetypisches an, ihre orientalischen Kopftücher, Dolche, goldene Blüte, Vogel, ägyptische Königsschlange und Phönixflammen, aber sie zitieren derlei Zeichen still rätselhaft vieldeutig, ohne grell platt einfach nur symbolisch zu sein. Mögen ihre meist weiblichen Figuren neben hermaphroditisch männlichen oft auch Seelenkräfte der Heilung sein wie die Frau mit der goldenen Blüte im weißen Kleid. In ihren Bildern findet Heidemarie Kull zu neuer weiblicher Identität, doch zeigen manche Bilder auch noch Spuren von Zerrissenheit und Gefährdung auf dem Weg dorthin. Hinter exotischen Kopftüchern scheinen verborgen zu sein noch unbekannte, doch im Zaum gehaltene Kräfte. In Heidemarie Kulls Bildern finden so immer auch Umbrüche, Denkanstöße und Findungen statt. Oft geschieht dies unscheinbar in der Stille. In einer Stille, die jedoch kein Idyll ist, sondern durch Kratzer, Schatten und Trauer geht. Stille durchzieht auch die Gedichte von Heidemarie Kull. Ich zitiere eine Stelle:
tonlos
webst Die Stille hörbar machen. Sichtbar machen das Verdrängte. Durch Bedrohung und Angst, mitunter über Abgründe hinweg versucht die Kunst einen Weg der Wahrnehmung. Wir alle sind schockiert noch von den Ereignissen des 11. Septembers. Nicht nur seit dem 11. September, aber verstärkt doch nun, ist Aufgabe der Kunst immer das Gespräch zwischen den Kulturen. Heidemarie Kull geht diesen Weg, öffnet sich Fremdem, Neuem. Zieht ihre Kreise und kehrt immer wieder in ihre Gegend um Neuenbürg zurück. Sich weder durch Erfolg noch durch Mißerfolg blenden zu lassen, sondern sich bewußt zu sein, daß Kunst immer Wahrnehmung, produktive Auseinandersetzung ist, Atem auch in drohender Erstickung. Nicht nur leeres Mediengerassel, Konsumseifenblase, ideologische Etikettenschachtel. Unsere Spaßgesellschaft mit ihrer Arbeitslosigkeit und den vielen Stimmen, die in den Medien nicht so vorkommen, unsere Nur-Unterhaltungsindustrie hat am 11. September einen Einbruch erlitten. Ein Einbruch, der zur Umkehr auch und zur Besinnung auffordert. Als Figur des Überlebens und der Überwindung gilt in der Kunst immer der mythische Vogel Phönix, der aus der Asche verjüngt wieder aufsteigt. Heidemarie Kull malt ihn als Ende und Anfang, kniend, feuerfest, beflügelt und siegend. Diese zähe, unbesiegbare Kraft des Phönix in den Bildern zu spüren und zu entdecken, dazu sei der Betrachter eingeladen, zu diesem Flug des Phönix, Erneuerung stets, Unbefangenheit, Ausdauer und Frische, unbeirrbare Schaffens- und Lebenskraft.
Heidemarie Kull (HMK), Jahrgang 1947, die in Neuenbürg bei Pforzheim lebt und arbeitet, hat in ihrem bisherigen Schaffen vor allem menschliche Figuren dargestellt: in den letzten Jahren vorwiegend Frauen in antikisierenden Gewändern und stilisierten Gesichtszügen, wobei vor allem die Betonung der Augen, aber auch Kopfschmuck und symbolische Anspielungen an altägyptische Darstellungen erinnern. Auch mit den Farben - intensive und leuchtende Rot-Blau-Gelbtöne - schafft sie eine besondere Atmosphäre, die Geheimnis und Geborgenheit gleichermaßen vermittelt. Immer sind ihre Bilder direkter Ausdruck ihrer Gedanken und Gefühle, ihrer Betrachtung von Innen- und Aussenwelt; an der Leinwand arbeitet sie sehr intuitiv. Nur so ist auch die abrupte Stiländerung ihrer neusten Werke zu verstehen, die sie unter dem Eindruck und dem Schock des 11. Septembers gemalt hat. Was vorher sehr gebändigt, von starken Konturen umgrenzt und ruhig meditativ erschien, wird nun wild, sehr expressiv und abstrakt in Art eines eruptiven "action painting" auf die Leinwand geworfen - Ausdruck der starken Betroffenheit der Künstlerin. In die heftigen Pinselstriche und -spritzer in eher dunklen Farben werden Fotos und Zeitungsbilder geklebt und teilweise auch wieder übermalt. Diese Fotos von Flüchtlingen, Attentätern, Opfern, Menschengesichtern lassen den aktuellen Bezug noch deutlicher werden. Rote Farbspritzer erscheinen auf diesen Bildern wie Blutflecken: ein eindrückliches Memento. Das grosse Bild mit dem Schriftzug "freedom", der wie ein Aufschrei wirkt, ist ganz in Dunkelbraun, der Farbe der Erde oder des Rostes, gehalten; das eingesetzte angesengte und rostige Türschloss steht symbolisch für Brand und Verheerung. Die an sich abstrakte Komposition erscheint plötzlich wie ein riesiges Gesicht, wie ein Schlund auch, in dem alles verschwindet: apokalyptische Ahnungen klingen an, etwas gemildert und im Gleichgewicht gehalten durch einige sanfte und positiv besetzte gelbe Kleckse, rote Ringe und rhythmisch verteilte Farbtupfer. Ein eindrückliches Bild ist auch das einfache Bild "11. September IV". Ein schwarzer runder Farbklecks auf hellem Grund, der nach allen Seiten wie in einem Magnetfeld Spritzer aussendet oder empfängt, wird von einem rosafarbenen, plastisch wirkenden, unregelmässigen Farbverlauf in Form eines flatternden Tuchs von den in der rechten unteren Ecke eingeklebten Menschenbildern abgewehrt. Das Bild lebt von heftiger Bewegung und ausgleichender Spannung. Die neue expressive Art zu malen verändert auch das Menschenbild der Malerin. Die Augen der nur in Umrissen angedeuteten Frau auf dem ausdrucksstarken roten Gemälde zeigen nun direkt Furcht und Schrecken, aber auch Abgeklärtheit in all der Zerstörung, aber dennoch keimt in ihnen auch Hoffnung: die Sonne geht weiter auf, und die Pflanzen und Blumen streben weiterhin zum Licht.
"Gewalt ist Ausdruck geistiger Ohnmacht" - Ausstellung "Gewalt und Terror" in der Zauberberg Rosenborn-Galerie HMK: "... Meine Arbeit hat sich seitdem (11.9.2001) grundlegend geändert", sagt Heidemarie Kull. Während sie bisher mit kräftigen Farben aufwändige Gemälde schuf, wirken ihre Beiträge zur Zauberberg-Ausstellung wie flüchtige, blasse Momentaufnahmen einer zerstörerischen Vorahnung, die im verzweifelten Schrei nach Frieden und Freiheit enden. Darin verbirgt Heidemarie Kull die Botschaft: "Wir müssen mit wachen Augen durch Leben gehen und dürfen nicht die Gefahr verdrängen, die vom sogenannten fundamentalen Islamismus ausgeht ..."
NY ARTS Magazine, 06/2002
[...] Heidemarie Kull’s recent paintings, on view in New York City last month, are an exploration of the symbolic potential of the figure. The grounds for the paintings are predominantly orange and most of them present a portrait of a woman. The work “Shaman” sets the tone for the exhibition. A woman’s head in profile, with starkly white skin, is set against a dark form in an orange field of paint strokes. Around her visible eye is a ring of red and on her head she wears a kind of headdress. Kull directs the viewer not with subtly expressive faces but with the bold coloring and isolated props of each painting. In “Woman with a Red Cross” the woman faces the viewer in a sheer long sleeved blouse and wears a different kind of head gear than in Shaman, a pied bohemian scarf. She gazes straight at the viewer her face suggestively colored in pink around the eyes. Aloft she holds a red cross on a white ground.
NEW YORK, NEW YORK Heidemarie Kull, Künstlerin aus Neuenbürg, über ihre zweite Ausstellung in New York. Von Neuenbürg nach New York - schon im vergangenen Jahr stellte Heidemarie Kull dort aus, nun waren 13 ihrer großformatigen Werke vom 10. bis 26. Mai in der "473 Broadway Gallery/Eigth Floor Gallery" von Abraham Lubelski zu sehen. Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 bekam das Erlebnis New York für Heidemarie Kull, die sich auch künstlerisch damit auseinandersetzte, eine weitere Dimension. Wieder zurück in Neuenbürg, hat sie sich mit PZ-Redakteurin Ulrike Trampus darüber unterhalten.
Pforzheimer Zeitung: In der Zeitschrift "NY Arts" vom 12. Dezember 2001
bescheinigt Ihnen der Kritiker Steffan Biffiger einen abrupten Stilwechsel
unter dem Eindruck der Ereignisse vom 11. September. Nun haben Sie den
Tatort selbst gesehen, standen am Ground Zero. Wird sich dieses Erlebnis auf
Ihre kommenden Arbeiten auswirken?
PZ: Sie knüpfen jetzt wieder nahtlos an Ihre bisherigen Arbeiten an?
PZ: War die Serie "Augen-Blick" in NY zu sehen?
PZ: Das Auge ist es, das in Ihren Werken eine zentrale Funktion hat - wenn
Sie Ihre erste Ausstellung in New York mit der jetzigen vergleichen, was
sehen Sie dann? Betrachten Sie die Stadt mit anderen Augen?
PZ: Von Neuenbürg nach New York. Ist das ein großer Schritt oder gar ein
Spagat?
PZ: Was ist das besondere daran, in New York auszustellen?
PZ: Was ist organisatorisch zu beachten?
PZ: Was ist die wichtigste richtige Frage?
PZ: Haben Sie Ihre Bilder schon?
PZ: Lohnt die Mühe?
PZ: Und was kommt jetzt?
PZ: Also von Neuenbürg nach Berlin? Das Interview mit Heidemarie Kull führte Ulrike Trampus (Redaktion PZ).
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produced by Heidemarie Kull & Thorsten-Michael Kull
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